Vom Echten des Echten

Aus gegebenem Anlass habe ich in den letzten Wochen viel über die zukünftige Bedeutung von Bildern nachgedacht. Denn was ist ein Bild noch Wert, wenn es den menschlichen Schöpfer verliert und weitgehend von einer Maschine generiert wird. Ich bin weißgott kein Bilderstürmer oder gegen technischen Fortschritt und nutze ebenfalls digitale Werkzeuge zur Bearbeitung meiner Bilder. Dennoch liegt der Unterschied auf der Hand, denn es sind meine geübte Hand und meine kreative Leistung, die ein Bild erschaffen. Jahrzehnte an Lernen, Jahre an praktischer Erfahrung, Stunden an detaillierter Arbeit formen ein Werk. Mein Werk. Und mit jedem abgeschlossenen Bild wachse ich noch weiter, durch meine Triumpfe wie durch meine Niederlagen. Beides unabdingbare Gegensätze, die sich jedoch ergänzen und den Künstler entwickeln.
Eine Maschine, um bei dem Bild zu bleiben (streng genommen sind es viele Zeilen an Programmiercode, die auf unzähligen Server um die Welt verteilt laufen) hingegen kopiert nur. Sie saugt alles auf, ohne wirklich die Tiefe eines Werkes oder Künstlers zu verstehen, um dann durchaus eindrucksvoll nachzuahmen. Auf diese Art ein errechnetes Bild wie Pablo Picasso oder Helmut Newton aussehen zu lassen ist inzwischen keine Hexerei mehr. Die beiden genannten waren ein langes Leben lang als Künstler aktiv und schöpferisch tätig, haben sich bewusst weiterentwickelt. Ein Bild im Stil Picassos zu generieren ist also nichts anderes als ein kläglicher und überaus kitschiger Versuch, bekannte Elemente stumpf zu plagiieren, ohne dessen Hintergrund zu verstehen. Oder das Prinzip der permanenten Wandlung eines Künstlers zu verstehen. Jedes Werk ist ja immer nur ein Ausschnitt, eine Momentaufnahme eines ganzen kreativen Lebens. Oder besteht DaVincis Schaffen etwa nur aus der Mona Lisa?! Und VanGogh's Oeuvre nur aus Sonnenblumen?! Es wäre schrecklich naiv und auch ziemlich einfältig, dieses anzunehmen.
Zugegeben, viele Zeitgenossen sind vermutlich leichte Beute für diese Oberflächlichkeiten, betrachten sie doch meist ein Werk ohne jeden Bezug. Und dann sehen sie eben nur eine Sonnenblume oder rätselhaft Lächelnde.
Als neugieriges Wesen musste ich natürlich diese neuen Werkzeuge selber testen und habe im Zuge dessen verschiedenste Bilder generiert.
Meiner ersten positiven Reaktion, die vor allem der beeindruckenden programmiertechnischen Leistung geschuldet war, wich bald blankes Entsetzen. In Minutenschnelle malte ich wie Picasso und photographierte wie Newton. Ich fühlte mich plötzlich schuldig und schmutzig. Schuldig, da ich den maximal einfachen Weg gegangen war, um ein achtbares Resultat zu erzielen, das kaum eine nennenswerte schöpferische Eigenleistung meinerseits beinhaltete. Und schmutzig, dass ich es ohne Zögern gewagt hatte, einen von mir geschätzten Künstler mit Füßen zu treten, indem ich ihn seelenlos nachäffte.
Nach dem Schrecken kam dann die Erkenntnis: Diese neuen Möglichkeiten sind im wahrsten Wortsinn ein perfektes Abbild unserer Zeit. Einer Zeit des kreativen Stillstands, die davon lebt, vergangenen Jahrzehnte neu aufzulegen. Oder bewährte Ideen ohne Skrupel zu "rebooten" wie das so schön Neudeutsch bezeichnet wird. Seit der Jahrtausendwende gibt es keine nennenswerte eigenständige künstlerische Phase mehr. Alles sieht, klingt, wirkt so wie vor vierzig, fünfzig Jahren, nur eben aufpolierter aufgrund der technischen Möglichkeiten. Stets der gleiche aufgewärmte Einheitsbrei in SD, HD, 4K, 8K, usw.
Einfach langweilig.
Wir füllen die neuen Formate nicht mit neuen Ideen, sondern stopfen sie nur mehr voll mit visuellem Kitsch.
Daher bleiben auch analog in Cinemascope gedrehte Filme der 60er Jahre unerreicht in ihrer Wirkung.
Modernes Kino hat zwar unglaublich viele digitale Pixel, aber keine Idee diese sinnvoll zu füllen. Außer mit unsäglichem Bombast, wenn man die kommerziell erfolgreichsten Filme der letzten Dekade als Beispiel nimmt.
Und auf diese Weise generieren wir jetzt auch unsere Bilder, sind geblendet ob dessen glänzender Oberflächen, überfordert durch deren sinnleere Dichte, und sprachlos ob der Ahnungslosigkeit, was uns so ein Machwerk denn eigentlich noch sagen soll.
Ein Künstler will mit seinem Werk immer etwas ausdrücken, auch wenn es manchmal sperrig, kantig und schwer zugänglich scheint. Aber die Intention dahinter ist klar: Wir sollen zum Selber-Denken angestoßen werden. Uns einen eigenen Reim über das Werk und die Gesellschaft in der es entstanden ist zu machen. Um uns ein Stück weit zu verändern durch dieses Lernen und Erfahren der Welt.
Einer Maschine ist es komplett egal, was sie erstellt. Sie besitzt keine Motivation und keinen Anspruch. Sie liefert einfach nur ab was man ihr einprogrammiert hat. Was kann man dadurch also noch lernen? Ein so stummes und stumpfes Werk spricht niemals zu uns.
Dennoch fürchte ich mich vor einer Zukunft, in der das Spektakel regiert und Museen vollgehängt werden mit ebendiesen seelenlosen Glanzbildern. Einst Institutionen der Bildung würden sie schnell verkommen zu Bilderfabriken. Mit ein paar cleveren Klicks zur Blockbuster-Ausstellung quasi.
Ich für meinen Teil will das jedenfalls nicht mehr sehen. Und werde als Künstler weiterhin daran arbeiten, ein Werk voller Seele und Tiefe zu schaffen. Ein Werk, das etwas über mich als Person und die Zeit, in der ich lebe, erzählen kann. Ein Werk, das vollständig durch meinen Kopf und meine Hände ging. Und nicht in einer Minute zusammengeklickt wurde.

In the last few weeks, I have been thinking a lot about the future significance of images. After all, what is the value of an image if it loses its human creator and is largely generated by a machine? God knows I'm not an iconoclast or against technological progress and I also use digital tools to edit my images. Nevertheless, the difference is obvious, because it is my practiced hand and my creative output that create an image. Decades of learning, years of practical experience, hours of detailed work form a work. My work. And with every completed picture I grow even more, through my triumphs as well as my defeats. Both are indispensable opposites, but they complement each other and develop the artist.
A machine, to stay with the image (strictly speaking, it is many lines of programming code running on countless servers around the world), on the other hand, only copies. It absorbs everything without really understanding the depth of a work or artist and then imitates it quite impressively. It is no longer witchcraft to make a calculated picture look like Pablo Picasso or Helmut Newton in this way. Both of them were active and creative artists for a long time and consciously developed themselves further. Generating a picture in the style of Picasso is therefore nothing more than a pitiful and extremely kitschy attempt to bluntly ape familiar elements without understanding their background. Or to understand the principle of an artist's permanent transformation. After all, every work is only ever a fragment, a snapshot of an entire creative life. Or does DaVinci's oeuvre only consist of the Mona Lisa? And VanGogh's oeuvre only consists of sunflowers? It would be terribly naive and also rather simple-minded to assume this.
Admittedly, many contemporaries are probably easy prey for these superficialities, as they usually look at a work without any reference. And then all they see is a sunflower or enigmatic smiles.
As a curious person, I naturally had to test these new tools myself and generated a wide variety of images in the process.
My initial positive reaction, which was mainly due to the impressive technical programming performance, soon gave way to sheer horror. Within minutes I was painting like Picasso and photographing like Newton. I suddenly felt guilty and dirty. Guilty because I had taken the easiest route possible to achieve a respectable result that hardly involved any creative effort on my part worth mentioning. And dirty that I had unhesitatingly dared to trample on an artist I held in high esteem by soullessly aping him.
After the horror came the realization: these new possibilities are literally a perfect reflection of our time. A time of creative stagnation that thrives on revisiting past decades. Or “rebooting” tried and tested ideas without any qualms. Since the turn of the millennium, there has been no independent artistic phase worth mentioning. Everything looks, sounds and works like it did forty or fifty years ago, only more polished due to the technical possibilities. It's always the same reheated standardized mash in SD, HD, 4K, 8K, etc.
Simply boring.
We don't fill the new formats with new ideas, we just cram them full of visual kitsch.
That's why even films shot in analog Cinemascope in the 60s remain unmatched in their impact.
Modern cinema has an incredible number of digital pixels, but no idea how to fill them sensibly. Except with unspeakable bombast, if you take the most commercially successful films of the last decade as an example.
And this is how we now generate our images, dazzled by their shiny surfaces, overwhelmed by their senseless density and speechless because we have no idea what such a work of art is actually supposed to tell us.
An artist always wants to express something with his work, even if it sometimes seems unwieldy, angular and difficult to access. But the intention is clear: to encourage us to think for ourselves. To make up our own minds about the work and the society in which it was created. To change ourselves a little by learning and experiencing the world.
A machine doesn't care what it creates. It has no motivation and no ambition. It simply delivers what has been programmed into it. So what else can you learn from it? Such a mute and dull piece of work never speaks to us.
Nevertheless, I fear a future in which spectacle reigns and museums are hung full of these same soulless glossy images. Once institutions of learning, they would quickly degenerate into image factories. With a few clever clicks to a blockbuster exhibition, so to speak.
I, for one, don't want to see that anymore. And as an artist, I will continue to work on creating a work full of soul and depth.  A work that can tell something about me as a person and the time in which I live. A work that went completely through my head and my hands. And not clicked together in a minute.

Created 09/2024
Category Blog