Über die Angst
Wie so viele, so habe auch ich Angst vor der Angst. Jener Sorte, die im Dunklen lauert und dich anspringt, sich in dir verkrallt und dich mit einem stummen Schrei in die Schwärze zieht. Wer jenes Gefühl kennt, der weiß an dieser Stelle bereits zu gut wovon ich spreche. Und alle anderen Glücklichen haben nun zumindest ein Bild davon vor Augen.
Was macht man nun damit, wohin gibt man diese vermeintlich verzichtbare Emotion? Verdrängen wäre ein nachvollziehbarer Impuls, der aber wenig Hilfe bietet. Das Monster lauert ja weiterhin unter dem Bett gewissermaßen. Die Augen zu schließen in der Hoffnung, dann selber nicht gesehen zu werden, war immer schon ein ausgesprochen schlechter Rat.
Sieht man sich die Kunst- und Literaturgeschichte an, dann ist verarbeiten ein probates Mittel. Das Monster zu malen, es gleichsam auf der Leinwand gefangen zu nehmen oder es mit Worten auf Papier zu bannen gibt der gequälten Seele das Ruder zurück in die Hand.
Kein wirklicher Trost für den Betroffenen, doch sind die stärksten Werke jene über die stärksten Gefühle.
Was wären ganze Künstlergenerationen ohne die Liebe etwa. Bis heute schwelgen wir in ihrer schöpferischen Kraft und selbst der größte Kitsch kann ihrem Kern nichts anhaben. Und wer sehnt sich auch nicht nach diesem positiven Urquell der menschlichen Natur.
Ganz anders sieht es hingegen mit der Dunkelheit aus. In uns und um uns lauert sie auf ihren Moment, unser Leben ins Chaos zu stürzen.
Ich bewundere jeden, der die Kraft findet, sich hier dagegenzustemmen. Denn um nichts anderes als einen veritablen Kraftakt handelt es sich. Die Mutigsten sprechen öffentlich darüber, in Wort oder Bild, und geben so ein gelebtes Vorbild für all die Unzähligen in ihrer Angst stumm gebliebenen.
Daher ist es so wichtig, diese "Nacht im Tag" zu benennen und nicht zu verschweigen. Wir sind derer viele. Solidarität im Leid ist mit die wichtigste, um die Monster ans Licht zu zerren und in die Verbannung zu schicken.
Daher irren jene, die meinen, diese Sorte Kunst wäre ihnen "zu ernst" und wegschauenswert. Denn auch sie haben die Möglichkeit, den kollektiven Scheinwerfer mit auszurichten und die Schattenseiten zu beleuchten. Bei Licht, und das wissen schon kleine Kinder mit Angst in der Nacht, bei Licht da sieht alles plötzlich anders aus, freundlicher, weniger abstrakt und schemenhaft.
Mein Buch SCHATTENREICH thematisiert genau diesen Aspekt: Seiten, Gefühle an uns zu zeigen, die wir in der Regel lieber verbergen wollen. Durch das Zeigen aber finden wir Mut, als Betrachter, als Portraitierte, als Künstler, und sehen bei Licht betrachtet zwar den Schmerz, aber auch die Hoffnung und Lösung, die darin liegen. Vergebung etwa, sich selbst und anderen, als Beginn eines neuen Kapitels.
Dies ausgesprochen möchte ich hier also mit einer positiven Note schließen. Die Angst, gefürchtet statt geliebt, gehört zu unseren Urinstinkten, geschaffen um uns vor den echten Gefahren draußen vor der Höhle zu schützen. Mit dem Feuer jedoch hat der Mensch auch das Licht erschaffen und so eine Möglichkeit, diese Angst sprichwörtlich auszuleuchten. Wir sollten daher nicht länger wegsehen, indem wir die Augen schließen und den Atem anhalten. Wir sollten mutig sein und das Hinsehen ertragen lernen bis es zur Selbstverständlichkeit wird.
Like so many, I am afraid of fear. The kind that lurks in the dark and jumps out at you, claws its way inside you and pulls you into the blackness with a silent scream. Anyone who knows that feeling knows all too well what I'm talking about at this point. And all the other lucky ones now have at least a picture of it in front of their eyes.
What do you do with it now, where do you put this dispensable emotion? Repressing it would be an understandable impulse, but it offers little help. The monster is still lurking under the bed, so to speak. Closing your eyes in the hope of not being seen has always been very bad advice.
If you look at the history of art and literature, processing is a tried and tested method. Painting the monster, capturing it on canvas, as it were, or capturing it with words on paper puts the tormented soul back in control.
No real consolation for those affected, but the strongest works are those about the strongest feelings.
What would entire generations of artists be without love? To this day, we revel in its creative power and even the greatest kitsch can do no harm to its core. And who doesn't long for this positive source of human nature?
Darkness, on the other hand, is a completely different matter. It lurks within us and around us, waiting for its moment to plunge our lives into chaos.
I admire anyone who finds the strength to stand up to it. Because it is nothing less than a veritable feat of strength. The bravest speak about it publicly, in words or pictures, and thus set a living example for all the countless people who have remained silent in their fear.
That is why it is so important to name this “night in the day” and not keep quiet about it. There are many of us. Solidarity in suffering is one of the most important ways of dragging the monsters into the light and sending them into exile.
This is why those who think this type of art is “too serious” and worth looking away from are mistaken. Because they too have the opportunity to shine the collective spotlight and illuminate the dark sides. In the light, and even small children who are afraid at night know this, everything suddenly looks different, friendlier, less abstract and shadowy.
My book SCHATTENREICH deals with precisely this aspect: showing sides of ourselves that we usually prefer to hide. But by showing them, we find courage as viewers, as portrait subjects, as artists, and when we look at them in the light, we see the pain, but also the hope and solution that lies within. Forgiveness, for example, for ourselves and others, as the beginning of a new chapter.
I would therefore like to end on a positive note. Fear, feared rather than loved, is one of our primal instincts, created to protect us from the real dangers outside the cave. With fire, however, man has also created light and thus a way to literally illuminate this fear. We should therefore no longer look away by closing our eyes and holding our breath. We should be courageous and learn to endure looking until it becomes a matter of course.
Created | 09/2024 |
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